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Diese Band ist ein Sofa

 
Travis haben sich in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert: Man hört ihre Lieder – und vergisst sie sofort wieder. So auch die des neuen Albums „Ode To J. Smith“

Travis, das sind die Guten im Britpop, die Bescheidenen, die Ehrlichen, die Band ohne Skandale, ohne Abgründe, die Harmlosen. Die mit der Extraportion Liebe und Gefühl. Der Weg der vier Schotten von der Kunsthochschule in Glasgow in die Hitparade war lang, doch die Mühen sind längst vergessen. Schon seit einigen Jahren ist ein neues Album von Travis immer wieder ein Spektakel – und auch außerhalb ihrer Heimat füllen sie heute große Hallen. „Musik kann ein Stuhl sein, auf den man sich setzt“, sagte der Sänger Francis Healy einmal in einem Interview. Jetzt haben Travis einen neuen Stuhl gezimmert, und zwar einen recht untypischen, wenn nicht gar unbequemen.

Ode To J. Smith heißt das sechste Album, die Stücke darauf ranken sich um das Leben der imaginären Figur J. Smith. Und es beginnt tatsächlich erfrischend: Zum hämmernden Piano erzeugt die E-Gitarre Verzerrtes, das klingt nach Rockmusik. Eine Rockband sind Travis dennoch nicht, sie haben ein Kleid aus Dornen angezogen, im Innern sind sie noch immer weich wie Kuchenteig.

Mit ihren Verkleidungen gehen Travis bisweilen recht weit: Da gibt es esoterische Männerchöre über Gitarren-Riffs, Freunde von Rammstein könnten das mögen. Und es gibt Hardrocksoli, psychedelische Anleihen bei den Doors, sogar ein paar Sprenkel Rockabilly. Kurz wundert man sich, doch schon einige Sekunden später ist es wieder da: Das gute Gefühl, auf einem Stuhl zu sitzen, den man schon lange kennt. Das Problem der Ode an Herrn Schmidt: Ein Stuhl ist wie der andere. Egal in welchem Kostüm, ob rockig oder sanft, eines hat sich bei Travis seit ihrem ersten Album vor zehn Jahren nicht verändert: Die meisten ihrer Lieder sind von erschreckender kompositorischer Schluffigkeit. Man hört sie – und vergisst sie wieder. Sofort.

Oder ist das gerade das Kunststück? Obwohl Travis in ihrer langen Karriere nur wenige Stücke geschrieben haben, die sich ins Gedächtnis einbrannten, waren sie doch immer eingängig. Beim Hören ihrer Stücke schmelzen viele Menschen wie Butter in der Sonne. Das mag an der herbstlich-melancholischen Stimme von Francis Healy liegen. Er verwandelt jedes glatte Popliedchen in ein Rührstück, eine Romanze, eine Schmonzette. Kann man das verurteilen?

Diese Band ist kein Stuhl. Diese Band ist ein Sofa, auf dem man sich ausstrecken, sich einsam fühlen und auch mal ein bisschen weinen kann. Sicher wird man ohne Rückenschmerzen aufwachen. Diese Band ist eine erfolgreiche Koalitionsverhandlung mit sich selbst, ein Rettungspaket für das Gefühlsleben.

„Ode To J. Smith“ von Travis ist als CD und LP bei Vertigo/Universal erschienen.

Travis treten am 22. November in Essen beim Rockpalast-Festival auf.

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